Berlin ist auf dem Weg zum autonomen Nahverkehr: BVG startet Test von selbstfahrenden Kleinbussen

Von Bohdana Sukhetska | 02.06.2023, 17:07
Berlin ist auf dem Weg zum autonomen Nahverkehr: BVG startet Test von selbstfahrenden Kleinbussen

Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) haben ein neues Projekt gestartet, um autonomes Fahren im regulären Fahrplan zu erforschen. Ziel ist es, bis zum Ende des Jahrzehnts selbstfahrende Fahrzeuge in Berlin einzusetzen und damit das Personalproblem zu lösen.

Was bekannt ist

In Zusammenarbeit mit der Technischen Universität Berlin und dem Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität (IKEM) werden verschiedene Fragen untersucht, um die Umsetzung dieses Vorhabens zu ermöglichen. Das Bundesverkehrsministerium plant eine Förderung von etwa 9,5 Millionen Euro für das Projekt, was mehr als die Hälfte der Gesamtkosten ausmachen würde. Der Förderbescheid wird in Kürze erwartet. Der erste Schritt besteht darin, bis 2025 einen Pilotbetrieb für eine fahrerlose Kleinbusflotte im Nordwesten Berlins durchzuführen. Hierbei sollen Erkenntnisse gewonnen werden, um ein Konzept für den Regelbetrieb zu entwickeln. Die autonomen Kleinbusse sollen zunächst in Neubaugebieten wie der Waterkant oder der Insel Gartenfeld in Spandau eingesetzt werden.

Mit einer Gesetzesänderung im letzten Jahr hat die Bundesregierung den Weg für den Einsatz fahrerloser Fahrzeuge freigemacht. Diese werden nun von einer Technischen Aufsicht überwacht, die mehrere Fahrzeuge von einer Leitzentrale aus im Blick hat. Zukünftig sollen bis 2030 autonome Kleinbusse im gesamten Stadtgebiet Berlins auf verschiedenen Linien zum Einsatz kommen und die Lücken im öffentlichen Nahverkehr schließen.

Auch in anderen deutschen Städten werden Konzepte zum autonomen Fahren entwickelt und erprobt. Hannover plant die Integration von drei autonom fahrenden Linienbussen mit Elektroantrieb in den regulären Linienbetrieb. München plant den Einsatz selbstfahrender Kleinbusse ab 2025. Das Bundesverkehrsministerium hat insgesamt 55 Millionen Euro für die kommenden Jahre für solche Projekte bereitgestellt.

Der Erfolg des neuen BVG-Projekts wird zeigen, ob die Hoffnungen des Verkehrsunternehmens in Bezug auf diese Technologie erfüllt werden können. Die weitere Entwicklung des autonomen Fahrens bleibt abzuwarten.

Über frühere Erfahrungen

Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) sammeln seit sechs Jahren Erfahrungen mit selbstfahrenden elektrischen Kleinbussen. Im Jahr 2017 startete die BVG erste Versuche mit autonomen Shuttles auf dem Gelände der Charité und des Virchow-Klinikums. Zwei Jahre später wurde das Projekt auf die 600 Meter lange "See-Meile" in Alt-Tegel zwischen den U-Bahnhöfen Alt-Tegel und Seeterrassen ausgeweitet. Nach einer kurzen Pause wurde das Projekt in Tegel für weitere zwei Jahre mit mehr Linien und Fahrzeugen verlängert. Insgesamt wurden bei den drei Projekten rund 50.000 Fahrgäste mit den zehn Shuttles befördert. Bislang war immer ein Sicherheitsfahrer an Bord, der im Zweifelsfall eingreifen konnte, wie es der Gesetzgeber vorschreibt. Seit letztem Jahr werden sie jedoch nur noch von einem so genannten technischen Betreuer aus der Leitstelle überwacht, der sich um mehrere Fahrzeuge kümmert. Die BVG plant nun ein neues Projekt, um herauszufinden, wie der autonome Betrieb ohne Fahrer funktionieren kann.

Allgemeines Funktionsprinzip

Autonome Busse, auch bekannt als fahrerlose oder selbstfahrende Busse, sind mit fortschrittlichen Sensoren, Kameras, Computern und Algorithmen ausgestattet, die es ihnen ermöglichen, ihre Umgebung wahrzunehmen, Entscheidungen zu treffen und sich ohne menschliche Kontrolle fortzubewegen. Hier sind einige der wichtigsten Komponenten und Technologien, die in autonomen Bussen eingesetzt werden können:

  • Sensoren: Autonome Busse verwenden verschiedene Arten von Sensoren, um ihre Umgebung zu erfassen. Dazu gehören Lidar (Light Detection and Ranging), Radar, Kameras und Ultraschallsensoren. Diese Sensoren sammeln kontinuierlich Daten über die Umgebung des Fahrzeugs, um Objekte, Hindernisse, Straßenschilder, Fahrbahnmarkierungen und Fußgänger zu erkennen.
  • Computer und Algorithmen: Die gesammelten Daten werden von leistungsstarken Computern und Algorithmen verarbeitet, die die Umgebung analysieren, Muster erkennen und Entscheidungen treffen können. Diese Algorithmen ermöglichen es dem Bus, zu navigieren, Richtungen zu planen, Hindernissen auszuweichen, anzuhalten und zu beschleunigen.
  • Kommunikationssysteme: Autonome Busse können mit anderen Fahrzeugen, der Straßeninfrastruktur und zentralen Kontrollzentren kommunizieren. Durch den Austausch von Informationen können sie zum Beispiel Verkehrsinformationen empfangen, sich an Ampeln anpassen oder mit Fußgängern interagieren.
  • Karten und GPS: Autonome Busse nutzen detaillierte digitale Karten und GPS (Global Positioning System), um ihren genauen Standort zu bestimmen und ihre Route zu planen. Karten enthalten Informationen über Straßenführungen, Straßenschilder, Geschwindigkeitsbegrenzungen und andere wichtige Daten.

Es ist wichtig zu wissen, dass autonome Busse in der Regel auf vorher festgelegten Routen oder in begrenzten Gebieten verkehren, die zuvor genau kartiert und analysiert wurden. Die Umgebung, in der sie eingesetzt werden, muss bestimmte Anforderungen erfüllen, z. B. klare Straßenmarkierungen, gut sichtbare Straßenschilder und eine angemessene Infrastruktur.

Die genaue Funktionsweise und die technischen Details können je nach Hersteller und spezifischem System variieren.

Über die Vorteile

Fahrerlose Busse in Deutschland bieten mehrere Vorteile und könnten dazu beitragen, verschiedene Probleme im deutschen Verkehrswesen zu lösen:

  • Linderung des Fahrermangels: Deutschland leidet unter einem Mangel an Busfahrern, insbesondere in Ballungsräumen. Fahrerlose Busse könnten dazu beitragen, diese Lücke zu schließen und den öffentlichen Nahverkehr effizienter zu gestalten.
  • Verbesserung der Verkehrssicherheit: Fahrerlose Busse nutzen fortschrittliche Sensortechnologien und Algorithmen, um ihre Umgebung zu erfassen und sicher zu navigieren. Dadurch könnten Verkehrsunfälle aufgrund menschlichen Versagens reduziert werden.
  • Effizientere Nutzung des Straßenraums: Da fahrerlose Busse präzise Abstände einhalten und koordiniert fahren können, kann der Straßenverkehr effizienter gestaltet werden. Dies könnte zu einem reibungsloseren Verkehrsfluss und einer Reduzierung von Staus führen.
  • Verbesserung der Umweltfreundlichkeit: Die meisten fahrerlosen Busse werden elektrisch betrieben, was zu einer Reduzierung der CO2-Emissionen und der Luftverschmutzung beiträgt. Dies unterstützt die Bemühungen zur Bekämpfung des Klimawandels und zur Förderung nachhaltiger Mobilität.
  • Bessere Integration in den öffentlichen Nahverkehr: Fahrerlose Busse können nahtlos in bestehende Verkehrsnetze integriert werden, da sie flexibel an die Bedürfnisse der Passagiere und den Verkehrsfluss angepasst werden können. Dies ermöglicht eine verbesserte Erreichbarkeit und besseren Zugang zum öffentlichen Nahverkehr.
  • Innovative Technologieentwicklung: Die Einführung fahrerloser Busse fördert die Entwicklung und den Einsatz von innovativen Technologien wie künstlicher Intelligenz, Sensortechnologien und Vernetzung. Dies stärkt die deutsche Forschungs- und Entwicklungslandschaft und positioniert das Land als Vorreiter im Bereich der autonomen Fahrzeuge.

Es ist wichtig anzumerken, dass fahrerlose Busse nicht alle bestehenden Herausforderungen im Verkehrswesen lösen können. Es können auch neue Herausforderungen im Zusammenhang mit Technologie, Recht, Sicherheit und Akzeptanz auftreten, die bewältigt werden müssen, bevor fahrerlose Busse breitflächig eingesetzt werden können.

Quelle: Tagesspiegel

Foto: Charité